Whitney Y. Baird (USCIB)

Transatlantische Partnerschaft:
Der Handel hinkt hinterher 

The Good, the Bad, the Uncertain


Die transatlantische Partnerschaft ist stark, aber Fortschritte im Bereich Handel gibt es kaum. Ein Überblick. 

Die transatlantische Partnerschaft steht 2024 gut da. US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen haben bei der Zusammenarbeit zur Bewältigung globaler Herausforderungen außergewöhnliche Führungsstärke bewiesen. Dazu gehören die Unterstützung der Ukraine und die Förderung von Demokratie, Inklusivität und Nachhaltigkeit weltweit – eine Konvergenz, die auf gemeinsamen Werten, dem Bekenntnis zum Multilateralismus und einer starken wirtschaftlichen Interdependenz beruht.

Die Fortschritte im transatlantischen Handel sind jedoch nicht so weit gediehen. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union hatten Ehrgeiz versprochen, als sie 2021 den Trade and Technology Council (TTC) ins Leben riefen – einen Rahmen, der „demokratische und marktorientierte Ansätze für Handel, Technologie und Innovation“ als Katalysator für Wohlstand und soziales Wohlergehen darstellen sollte. Nach fast drei Jahren, sechs Ministertreffen und anhaltendem Engagement auf technischer Ebene haben die USA und die EU einige positive Ergebnisse im Bereich der technologischen Sicherheit erzielt, aber nur geringe Fortschritte bei der Handelsliberalisierung.

Der U.S. Council for International Business (USCIB) weiß die Rolle des TTC bei der Förderung von Verständnis und Zusammenarbeit sowie bei der Konfliktvermeidung zu schätzen. Angesichts der Größe, der Bedeutung und des Einflusses der transatlantischen Wirtschaft auf den globalen Handel verdienen die Unternehmen in den USA und der EU jedoch mehr. Laut der kürzlich von AmCham EU (American Chamber of Commerce to the EU) veröffentlichten jährlichen Studie über bilaterale Beschäftigung, Handel und Investitionen („The Transatlantic Economy 2024“) trägt die transatlantische Wirtschaft mit einem Volumen von 8,7 Billionen US-Dollar zu 16 Millionen Arbeitsplätzen und einem Drittel des weltweiten BIP bei. Für eine starke wirtschaftliche Zusammenarbeit und Führungsrolle zwischen den USA und der EU könnte wohl nichts wichtiger sein!

Im Folgenden werden das Gute, das Schlechte und die Ungewissheit in Bezug auf die Aussichten der transatlantischen Partnerschaft und den TTC erörtert.  

Die guten Seiten

USCIB hatte das Privileg, als einer der wenigen Wirtschaftsverbände, die an den Arbeitsgruppen des TTC teilnehmen, bei fast allen Ministerkonferenzen des TTC als Interessenvertreter mitzuwirken. Wir sind uns dabei der einzigartigen Rolle bewusst, die der TTC bei der Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses und der Zusammenarbeit bei der Bewältigung geostrategischer Herausforderungen und aufkommender wirtschaftlicher Probleme spielt.

In nur drei Jahren haben die USA und die EU schwelende Handelsstreitigkeiten beigelegt, gemeinsame Grundsätze für künstliche Intelligenz, Halbleiter, Investitionsschutz und Exportkontrollen ausgehandelt und arbeiten an gemeinsamen Ansätzen für Regeln und Standards. Auf dem sechsten Ministertreffen in Belgien im April dieses Jahres kündigten die Partner eine gemeinsame Vision für die Nutzung von 6G, bewährte Verfahren für ein umweltfreundliches Beschaffungswesen, die Einrichtung eines Forums für die Sicherheit von Mineralien (Minerals Security Partnership/MSP) und gemeinsame Empfehlungen für den Schutz von Menschenrechtsaktivist:innen auf Online-Plattformen an.

Im Bereich der Wirtschaft und der nationalen Sicherheit hat der TTC Handelsschocks abgefedert und die USA, die EU und sogar die G7-Alliierten bei der Verhängung massiver und anhaltender Sanktionen aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine zusammengebracht. Die Vereinigten Staaten und die EU haben auch – mit einigem Erfolg – ihr Vorgehen bei der Beschneidung des chinesischen Zugangs zu kritischen Technologieexporten, einschließlich Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, Telekommunikationsnetzen und strategischen Investitionen, koordiniert. Die Bedrohung durch den Klimawandel und die Dringlichkeit, die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) endlich zu erreichen, haben ebenfalls zu Ergebnissen geführt.  

Der USCIB hat direkt am TTC-Dialog über Handel und Arbeit (TALD) teilgenommen, einer dreigliedrigen Zusammenkunft von Regierung, Gewerkschaften und Industrie, um einen gemeinsamen Ansatz für die Probleme des transatlantischen Marktes voranzutrieben. Die TALD-Partner legten gemeinsame Grundsätze zum Thema Zwangsarbeit und ein gemeinsames Verständnis von Handels- und Beschäftigungsfragen im Zusammenhang mit dem grünen Wandel vor.

USCIB war auch Vorreiter der transatlantischen Initiative für nachhaltigen Handel und leitete gemeinsam mit der deutschen Industrie einen Workshop über die Hindernisse auf dem Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft in allen Phasen der Wertschöpfungskette von Elektrofahrzeugbatterien. Wir haben wichtige politische Empfehlungen für eine bessere Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Regulierung und Standards gegeben, von denen wir hoffen, dass sie in den kommenden Monaten umgesetzt werden.  

Die schlechten Seiten

Während der TTC in den oben genannten Punkte durchaus einiges erreicht hat, ist es in diesem Format nicht gelungen, die wirtschaftlichen Reibungsverluste auszugleichen und die Handelsprioritäten für globale Unternehmen zu fördern. US-amerikanische und europäische Handelspartner sind sich nach wie vor uneins über die jüngste Serie von Maßnahmen der US-Regierung, insbesondere über den Inflation Reduction Act (IRA), und über die Präferenzen, die vor allem US-amerikanischen Unternehmen gewährt werden. Das Scheitern einer Einigung über wichtige Rohstoffe, die es EU-Automobilherstellern ermöglichen würde, von Steuergutschriften im Rahmen des IRA zu profitieren, verschärft die Spannungen.

Die EU reguliert weiterhin stark im Interesse der Verbraucher:innen, insbesondere in den Bereichen digitale Technologien und Nachhaltigkeit, was sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der in Europa tätigen US-amerikanischen multinationalen Unternehmen, auf die Wettbewerbsfähigkeit der großen EU-Unternehmen und vor allem aber auch auf die der kleinen und mittleren Unternehmen in der EU auswirkt, die sich keine großen Compliance-Teams leisten können. Darüber hinaus gibt es ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Rückkehr von „Zollkriegen“ im Zusammenhang mit Handelsstreitigkeiten in der Luftfahrt- und Stahlindustrie, da die USA und die EU um eine Lösung der zugrunde liegenden Meinungsverschiedenheiten über Subventionen und Überproduktion ringen.

Im Jahr 2021 hatte der TTC versprochen, „globale, gleichgesinnte Partner bei der Förderung eines offenen, interoperablen, sicheren und zuverlässigen digitalen Raums anzuführen und bei der Entwicklung und dem Schutz der Technologie von morgen führend zu bleiben“ – für USCIB ein wichtiges Bekenntnis. Stattdessen aber hat sich die Biden-Administration im vergangenen Jahr von lange vertretenen Positionen zurückgezogen, die den grenzüberschreitenden Datenverkehr schützen, die Datenlokalisierung verbieten, die Diskriminierung von in den USA hergestellten digitalen Produkten ausschließen und den sensiblen Quellcode vor der erzwungenen Offenlegung schützen, die bösartige Cyberaktivitäten ermöglicht.

Die Vereinigten Staaten und die EU sollten die globalen Diskussionen über den freien und vertrauensvollen Datenfluss anführen, anstatt Technologieunternehmen übermäßig zu regulieren.

Dies ist zwar ein Versäumnis der Vereinigten Staaten, aber insgesamt besonders erschreckend, da offene Datenströme sowohl für große Technologieunternehmen in den USA und der EU als auch für eine Vielzahl von Herstellern, Einzelhändlern, Großhändlern, Finanzdienstleistern, Logistikunternehmen und professionellen Dienstleistern entscheidend sind. Die Vereinigten Staaten und die EU sollten die globalen Diskussionen über den freien und vertrauensvollen Datenfluss anführen, anstatt Technologieunternehmen übermäßig zu regulieren und/oder zu sanktionieren.

USCIB ist auch enttäuscht von dem Mangel an Ehrgeiz bei der Liberalisierung des Handels zwischen den USA und der EU. Unsere Mitglieder haben sich seit langem für ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU eingesetzt, das unter anderem Investitionen, Dienstleistungen, Zoll- und Handelserleichterungen, Expresslieferungen, verbesserte regulatorische Kohärenz, digitalen Handel, geistiges Eigentum, öffentliches Beschaffungswesen und Finanzdienstleistungen umfasst. Unilaterale Handelsmaßnahmen mit diskriminierender Wirkung stellen nach wie vor ein Hindernis dar. Ein Beispiel dafür ist das CBAM-Abkommen, bei dem die Absicht, „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ zu schaffen, die Zusammenarbeit im Bereich der Nachhaltigkeit aber zu behindern droht und die Tür für Vergeltungsmaßnahmen öffnet, die das letzte sind, was ein gestresstes multilaterales Handelssystem braucht. Unsere Mitglieder legen großen Wert auf gemeinsame Ansätze zur Schaffung eines stärker integrierten und barrierefreien transatlantischen Marktes. Regulatorische Diskriminierung und Differenzierung über den Atlantik hinweg sind zunehmend frustrierende Hindernisse für Handel, Investitionen und die Fähigkeit, Geschäfte zu machen.

Die Ungewissheit

Die bevorstehenden Wahlen, sowohl in den USA als auch in der EU, machen die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft und des TTC ungewiss. Die Wahlen in den USA im Jahr 2024 sind zu knapp, um ein Ergebnis vorauszusagen. Eine zweite Trump-Administration, ihre America-First-Doktrin und die versprochenen zehn Prozent Zölle auf alle Importe sind jedenfalls ein schlechtes Omen für die weitere handels- und geopolitische Zusammenarbeit mit der EU.

Vor diesem Hintergrund drehte sich ein Großteil der Diskussion beim sechsten TTC auch um die Frage, wie der Dialog aufrechterhalten und wie Arbeitsprozesse institutionalisiert werden können, damit sie dem politischen Wandel standhalten. Der TTC scheint fest verwurzelt zu sein, da Hunderte von Beamt:innen auf beiden Seiten des Atlantiks daran beteiligt sind, aber die Breite dieses Engagements könnte unter einer neuen Regierung verschwinden.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass es sich bei den im Rahmen des TTC vereinbarten Grundsätzen und Leitlinien um Initiativen der Exekutive handelt, die nicht an Gesetze gebunden sind. Dem TTC fehlte die Konsultation der Legislative ebenso wie eine breite Beteiligung der Wirtschaft. Dies dämpft den Enthusiasmus und die Unterstützung für die Weiterentwicklung des TTC. Außerdem fehlten im Prozess praktische Geschäftseinblicke und Lösungen für kommerzielle Probleme.

Es mag vielleicht zu spät sein, um die notwendige Unterstützung für den TTC zu sichern, damit er den politischen Veränderungen standhalten kann, aber USCIB wird weiterhin mit politischen Entscheidungsträger:innen zusammenarbeiten und das bilaterale Engagement ausbauen, damit in Zukunft noch bessere Ergebnisse für die Wirtschaft erzielt werden können.

Whitney Y. Baird 

ist Präsidentin und CEO des United States Council for International Business (USCIB). Bevor sie diese Rolle übernahm, verfolgte Baird eine langjährige Karriere als US-Diplomatin, zuletzt als Principal Deputy Assistant Secretary für das Bureau of Economic and Business Affairs, als Chargé d’Affaires der U.S.-Delegation bei der OECD, als Deputy Assistant Secretary of State für Westafrika und Sicherheitsangelegenheiten im Bureau of African Affairs, als Acting Deputy Assistant Secretary für Westeuropa, die Europäische Union und regionale Angelegenheiten im Bureau of European and Eurasian Affairs. 

Header © ugurhan – IStock ID:1077617494

Künstliche Intelligenz und geistiges Eigentum
nächster Artikel

Container for the dynamic page

(Will be hidden in the published article)