DEBATTE

Berichts- und Sorgfaltspflichten für Unternehmen – ein Überblick 

Dr. Achim Kampf 
(Germany Trade & Invest)


Der Schutz von Umwelt und Menschenrechten ist mit zunehmenden Berichts- und Sorgfaltspflichten verbunden. In unserer neuen Kategorie „Debatte“ möchten wir das Thema in dieser Magazin-Ausgabe von mehreren Seiten beleuchten. Einen Überblick über die wesentlichen Regularien für den Warenverkehr in Zeiten der Nachhaltigkeit gibt dabei zu Beginn Dr. Achim Kampf von Germany Trade & Invest.



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Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Begriff des Wirtschaftslebens geworden. Getragen von dem Ziel, die Bedürfnisse der Gegenwart möglichst ressourcenschonend zu befriedigen, beeinflusst er nicht nur den nationalen Wirtschaftskreislauf, sondern wirkt sich auch auf den Ex- und Import von Waren aus. Darüber hinaus müssen die Unternehmen in wachsendem Maße auch den Schutz der Menschenrechte in ihren Geschäften berücksichtigen. Umfangreiche Sorgfalts-, Dokumentations- und Berichtspflichten ziehen sich dabei wie ein „roter Faden“ durch die entsprechenden Rechtsgrundlagen.

Die Rechtsgrundlagen

Sowohl bezüglich der Nachhaltigkeit als auch mit Blick auf den Schutz der Menschenrechte sind Rechtsgrundlagen auf drei verschiedenen Ebenen relevant: der nationalen, der europarechtlichen und der völkerrechtlichen.

National steht hier vor allem das Lieferkettensorgfaltspflichten (LkSG) im Fokus. Völkerrechtlich ist als „softlaw“ die auf einer Resolution der Vereinten Nationen beruhende „Agenda 2030“ zu nennen sowie zwischenstaatliche Übereinkommen, die dann in der EU bzw. den Mitgliedstaaten umzusetzen sind, wie etwa das „Washingtoner Artenschutzabkommen“ (CITES) oder auch das noch nicht ausverhandelte WTO-Umweltgüterabkommen. Hinzu kommt auch die Tendenz, Aspekte der Nachhaltigkeit in Freihandelsabkommen zu integrieren, wie etwa dem voraussichtlich zum 01. Mai 2024 in Kraft tretenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland. Eine besondere Dynamik haben die Regelwerke in jüngster Zeit aber auf europarechtlicher Ebene erfahren, weshalb ihnen hier ein besonderes Augenmerk gewidmet ist.

Die Überwachung der Lieferketten

Sowohl den Schutz der Umwelt als auch den der Menschenrechte bezweckt das auf nationaler Ebene viel diskutierte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). In Kraft getreten am 01. Januar 2023, verpflichtet das LkSG Unternehmen zu menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Hierzu gehören die Einrichtung eines Risikomanagements mit regelmäßigen Risikoanalysen, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber mittelbaren Zulieferern und das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen. Liegen einem Unternehmen darüber hinaus Anhaltspunkte für die Verletzung einer Sorgfaltspflicht durch einen mittelbaren Zulieferer vor, so muss er diesem gegenüber „angemessene“ Präventionsmaßnahmen verankern. Anwendbar sind die Pflichten auf Unternehmen mit in der Regel 3000 Beschäftigten, deren Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßiger Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland liegt. Im Falle einer Zweigniederlassung muss diese mindestens in der Regel 3000 Beschäftigte aufweisen.

Mit den Sorgfaltspflichten gehen umfangreiche Berichtspflichten einher, die sowohl betriebsintern als auch extern gelten. So hat jedes unter das Gesetz fallende Unternehmen einen Jahresbericht über die Erfüllung seiner Sorgfaltsplichten für das vergangenen Geschäftsjahr auf seiner Website zu veröffentlichen und beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einzureichen, welches die für Einhaltung des LkSG zuständige Aufsichtsbehörde ist. Mit Blick auf auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe ist es für die Unternehmen wichtig, Rechtssicherheit zu erlangen. So sind die Sorgfaltspflichten stets in „angemessener Weise“ Handreichungen des BAFA.[1]

Europarechtlich überlagert wird das LkSG von dem Entwurf einer Lieferkettenrichtlinie („Corporate Sustanaibility Due Diligence Directive, CSDD“). Seine Anwendung erstreckt sich auf Unternehmen ab 1000 Beschäftigte und einem Umsatz von mehr als 450 Mio Euro/Jahr, welche im Rahmen einer fünfjährigen Übergangsfrist relevant wird. Gegenüber seiner Ursprungsfassung ist der Text in abgeschwächter Form gemäß einer Abstimmung im Rat vom 15. März 2024 angenommen worden. Das Europäische Parlament hat dem am 24. April 2024 zugestimmt. Vor Inkrafttreten ist noch die formelle Billigung durch den Rat, die Unterzeichnung sowie die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erforderlich. 20 Tage nach Veröffentlichung tritt die Regelung dann in Kraft. Hat dies stattgefunden, muss das deutsche Lieferkettengesetz mit ihr in Einklang stehen und ggf. angepasst werden. Es bedarf wenig Phantasie, um künftig einige EuGH-Entscheidungen zur Vereinbarkeit des deutschen Lieferkettengesetzes mit der europäischen Regelung vorauszusehen.

Ein weiterer EU-Rechtsakt in diesem Zusammenhang ist die EU-Verordnung (VO) für entwaldungsfreie Produkte (VO 2023/1115). Hiernach dürfen bestimmte Rohstoffe nur dann in der EU in Verkehr gebracht oder ausgeführt werden, wenn diese nicht auf Flächen produziert wurden, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Darüber hinaus müssen die Rechtsvorschriften im Erzeugerland eingehalten worden sein und es muss eine Sorgfaltserklärung desjenigen vorliegen, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit die in der VO im Einzelnen aufgeführten Erzeugnisse in Verkehr bringt oder ausführt. Die VO ist am 30. Juni 2023 in Kraft getreten und, nach Ablauf einer Übergangsfrist, ab dem 30. Dezember 2024 für kleine und Kleinstunternehmen, ab dem 01. Juli 2025 dann vollständig anwendbar.

Weitere Sorgfaltspflichten statuiert die EU-Konfliktmineralienverordnung (2017/821) für die Einfuhr von Konfliktmineralien (Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und Gold). Ähnlich dem LkSG ist ein Risikomanagement durchzuführen. Die in Deutschland dafür zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Geowissenschaften, hält zahlreiche Informationen dazu bereit.[2]

Der „Carbon Border Adjustment Mechanism“ – CBAM 

Besonderes diffizile Berichtspflichten sind mit dem „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM) verbunden. Getragen von dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden („Green Deal“), hat die EU mit der VO 2023/956 ein CO2-Grenzausgleichssystem geschaffen. Bezweckt wird im Wesentlichen zweierlei: Zum einen soll die VO einer Verlagerung von Produktionsstätten, in denen weniger strenge Klimaschutzgesetze als in der EU gelten („carbon leakage“) entgegenwirken. Bisher erhalten energieintensive Branchen kostenlose „ETS-Zertifikate“, welche einen Emissionsausstoß in bestimmter Höhe gestatten. Dieses System der kostenlosen Zuteilung wird jedoch bis 2034 sukzessive zurückgefahren. In demselben Maße, in dem dies erfolgt, erhöht sich folglich die Gefahr des carbon leakage. CBAM soll dem entgegenwirken, indem Importe mit einem Emissionspreis in gleicher Höhe belegt werden. Der andere Zweck von CBAM besteht darin, Produzenten außerhalb der EU dazu zu motivieren, ihre Produktionsprozesse klimafreundlicher zu gestalten, um sie auf diese Weise „CBAM-unbelastet“ in der EU besser absetzen zu können.

Ab dem 01. Januar 2026 darf die Einfuhr bestimmter Produkte zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr nur auf der Grundlage von „CBAM-Zertifikaten“ erfolgen. Der Anmelder muss zudem über eine Zulassung als „zugelassener Anmelder“ verfügen. Denkbar ist, dass die Liste der in der VO aufgeführten Produkte künftig erweitert wird. Bereits seit dem 01. Oktober 2023 treffen die Unternehmen im Rahmen einer Übergangsphase Berichtspflichten. Der CBAM-Bericht muss die Gesamtmenge an CO2-Emissionen je Warenart enthalten. Dies umfasst sowohl solche, die während der Produktion freigesetzt werden („direkte“) als auch solche, die während der Energiebereitstellung entstanden sind („indirekte“) sowie während der Herstellung von Vorprodukten entstandene. Die Durchführungsverordnung 2023/1773 konkretisiert hier die Berichtspflicht.

Angewiesen sind die Unternehmen für die Berichterstattung auf Daten der Hersteller, ebenso wie sie es für die Überwachung ihrer Lieferketten auf solche ihrer Lieferanten sind. Ist ihnen dies nicht möglich, können sie noch bis zum 30. Juni 2024 auf Standardwerte zurückgreifen, welche die Europäische Kommission am 22. Dezember 2023 veröffentlicht hat.[3] Für die Zeit danach hat die Europäische Kommission Vorlagen und Leitfäden entwickelt. Dennoch stellt es Importeure vor Herausforderungen, die notwendigen Daten bei ihren Lieferanten zu beschaffen. Einzureichen sind die Berichte online über das CBAM-Übergangsregister.[4]

Was ist in der „Pipeline“?

Von weiteren europäischen Rechtsakten in dieser Richtung ist auszugehen. So hat die Europäische Kommission eine Verordnung zum Verbot des Inverkehrbringens und Bereitstellens auf dem Unionsmarkt sowie der Ausfuhr von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten vorgeschlagen (2022/0269 (COD)). Eine Einigung im Trilogverfahren wird voraussichtlich noch bis zum 25. April dieses Jahres erfolgen. Auch diese Verordnung zielt darauf ab, die Unternehmen (unabhängig von ihrer Größe) bezüglich der Überwachung ihrer Lieferketten – hier mit dem speziellen Fokus auf Zwangsarbeit – in die Pflicht zu nehmen und entsprechende Sorgfalt zu beachten.

Jenseits des Außenhandels

Auch unabhängig davon, ob sich die Unternehmen im Außenhandel engagieren, sind nachhaltigkeitsorientierte Regularien zu beachten. Hierzu gehören die Verordnung zur EU-Taxonomie (2020/852) sowie die „Corporate Sustainability Reporting Directive” (2022/2464)(CSRD), welche die Unternehmen (nach entsprechender Umsetzung in den Mitgliedstaaten) dazu verpflichtet, sowohl über die Auswirkungen des eigenen Betriebs auf Mensch und Umwelt als auch die von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen zu berichten. Das Ziel, Transparenz bezüglich Nachhaltigkitsrisiken von Finanzprodukten herzustellen, verfolgt die „Sustainable Finance Disclosure Regulation” (SFDR). Im Sinne einer unternehmerischen Verantwortung für Umwelt und Menschenrechten legt auch sie entsprechende Berichtspflichten fest.

Fazit

Der wachsenden politischen Bedeutung des Schutzes von Umwelt und Menschenrechten entsprechend wächst auch die Zahl der Regularien, welche zahlreiche Berichts- und Dokumentationspflichten für Unternehmen festlegen. Dem einen oder anderen mag hier „schwindelig”werden. Angesichts der teilweise empfindlichen Sanktionen, die bei Nichtbeachtung drohen, sind die Unternehmen jedoch gut beraten, sich seriös damit auseinanderzusetzen und dabei auch Informationen, Handreichungen und Hilfestellungen durch die zuständigen Behörden bzw. die Europäische Kommission zu berücksichtigen.


Dr. Achim Kampf

leitet den Bereich Zoll von Germany Trade and Invest (GTAI) und ist seit ca. 25 Jahren in wechselnden Funktionen der Wirtschaftsförderung beruflich aktiv.

[1] Siehe hierzu den Überblick des BAFA zu „Lieferketten“, abrufbar unter https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html (zuletzt abgerufen am 02. April 2024).

[2] Siehe hierzu: https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/UeberUns/DEKSOR/DEKSOR_node.html (zuletzt abgerufen am 02. April 2024).

[4] Weitere Informationen sind abrufbar auf der CBAM-Website der Europäischen Kommission, der Website des Umweltbundesamtes sowie unter www.gtai.de/cbam.

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