DEBATTE

Berichtspflichten –
ein sanktionsbewährter Regulierungsdschungel 

Berthold Welling (VCI e.V. )

In den letzten Jahren sind die Berichtspflichten für Unternehmen sprunghaft gestiegen. Neben den üblichen Geschäftsberichten sowie klassischen arbeits-, sozial-, steuer- und umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen werden den Betrieben zunehmend nichtfinanzielle Berichtsformate aus dem Nachhaltigkeitsbereich auferlegt

Mit der Überarbeitung der Richtlinie für die Nichtfinanzielle Berichterstattung werden den bereits bestehenden Berichtspflichten umfangreiche neue Kapitel hinzugefügt. Die neue EU-Richtline zum Corporate Sustainability Reporting (CSRD)[1] greift unter dem umfassenden Schlagwort der „Nachhaltigkeit“ zusätzliche Berichtsfelder auf und weitet den Anwenderkreis mittelfristig auch auf kleine und mittelständische Unternehmen mit prüfungspflichtigen Vorgaben aus. Hinzu tritt die europäische Entwaldungsverordnung[2], die den Unternehmen zusätzliche Pflichten auferlegt, Transparenz durch Berichte zu schaffen. Parallel hierzu hat die Bundesregierung mit dem nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)[3] Berichtspflichten zum Lieferkettenmanagement implementiert, die nunmehr im Rahmen der Umsetzung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) neue und zusätzliche Berichtsfelder erhalten. Auch wenn die Bundesregierung bereits angedeutet hat, dass die Berichtspflichten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ggf. ausgesetzt werden sollen, werden die Berichtsanforderungen für die Unternehmen mittelfristig deutlich steigen. Im Rahmen dieses Beitrags soll der Blick auf die Herausforderungen der Unternehmen, die mit den zahlreichen Berichtspflichten verbunden sind, gelenkt werden und der notwendige Reformbedarf veranschaulicht werden.

Regelungsgeflecht – zahlreiche neue Rechtsgrundlagen

Das Regelungsgeflecht der Berichtspflicht ist engmaschig und teilweise doppelt geknüpft. Bereits in Kraft getretene Regulierungen auf der nationalen Ebene, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, sehen jeweils in ihren Bereichen umfangreiche Berichtspflichten vor.  Hinzu treten weitere branchenspezifische Regelungen, wie die Entwaldungsverordnung oder die Carbon Border Adjustment Mechanism Verordnung (CBAM)[4], die als europäische Regelungen mit Inkrafttreten unmittelbar auf der nationalen Ebene Anwendung finden. Schließlich runden die breiter angelegten Regelungen mit unmittelbarer Wirkung, wie die Verordnung zur EU-Taxonomie zur nachhaltigen Finanzierung sowie die Richtlinien, die erst im Rahmen eines Umsetzungsgesetzes Anwendungen finden, wie die jüngst beschlossene Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und vor allem die umfassendere Nachhaltigkeitsrichtline (CSRD) das Bild ab.

Dieser Ausschnitt eines umfassenden und teilweise überschneiden Regelwerkes auf europäischer und nationaler Ebene verdeutlicht die großen Herausforderungen, vor denen die Unternehmen stehen. Tausende Seiten von Gesetzestexten und Verordnungen, deren Erläuterungen sowie Handlungshilfen, Q&As, Kommentierungen und nicht zuletzt die umfangreiche Fachliteratur bedürfen der Übertragung und Übersetzung auf das jeweilige Geschäftsmodell eines Unternehmens. Intensive und umfangreiche Implementierungsprozesse müssen aufgesetzt werden und erfordern erhebliche Ressourcen in den Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Implementierung des erforderlichen Nachhaltigkeitsmanagements und der damit einhergehenden Berichtspflichten oftmals nicht ohne kostenträchtige externe Beratung umgesetzt werden kann. Aufgrund der drohenden Sanktionen im Falle fehlender oder mangelhafter Erfüllung der umfangreichen Berichtsplichten kommen die Unternehmen häufig nicht umhin, externe Beratungsunterstützung in Anspruch zu nehmen sowie einen administrativ aufwendigen und kostenintensiven Implementierungsweg zu gehen.

Zu dem Regelungsdickicht treten weitere freiwillige Standards, für die Unternehmen, die beispielsweise aufgrund ihrer Unternehmensgröße nicht in den Anwendungsbereich der zumeist auf größere Unternehmen zugeschnittene Regelungen fallen und somit auch nicht den jeweiligen Berichtspflichten unterliegen. Als Beispiel kann das Ansinnen des bedeutenden Beratungskomitees EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) dienen, einen Standard für kleine und mittelständische Unternehmen zu entwerfen. Aus deren Perspektive besteht ein Marktbedarf auch die kapitalmarktfernen Unternehmen mit Blick auf die Bewältigung der ESG-Anforderungen von Banken oder Partnern in ihrer Wertschöpfungskette.

Insbesondere die Begründung der EFRAG offenbart die besondere Herausforderung für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Sie sind zwar nicht unmittelbarer Normadressat und fallen oftmals nicht unter die Regelung, werden – wie sich zeigen wird – jedoch im zweiten Schritt durch die Weitergabe der Berichtspflichten großer Unternehmen mittelbar einbezogen und entsprechend verpflichtet. Hier deutet sich bereits an, dass die Berichtspflichten im Wege der mittelbaren Betroffenheit für kleine und mittelständische Unternehmen eine zunehmende Bedeutung erlangen. Dies gilt über das Lieferkettenmanagement im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz insbesondere auch für die Unternehmensfinanzierung, die stärker an Nachhaltigkeitsvorgaben ausgerichtet wird.   

Die mittelbare Wirkung der Berichtspflichten in der Wertschöpfungs- und Lieferkette 

Wie umfassend und komplex die Nachhaltigkeitsanforderungen und Berichtspflichten in der Wertschöpfungs- und Lieferkette für die gesamte Wirtschaft wirken können, kann anhand des Beispiels des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz veranschaulicht werden. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wurde intensiv über die Ausgestaltung der Schwellenwerte gerungen, um die unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung für die Unternehmen festzulegen. Ziel war es, durch möglichst hohe Schwellenwerte und einer schrittweisen Einführung die kleinen und mittelständischen Unternehmen weitgehend aus dem Anwendungsbereich zu nehmen bzw. die Belastung für den Mittelstand möglichst abzufedern. Jedoch hat sich – wie von der Wirtschaft prognostiziert – im Rahmen der Umsetzung gezeigt, dass die erforderliche Rechtsbefolgung der komplexen Anforderungen zu einem Dominoeffekt geführt hat: Um die gesetzlich geforderte Risikobewertung zu erfüllen, haben die unmittelbar vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffenen Unternehmen ihre Tier-1-Lieferanten mit Codes of Conduct konfrontiert und auf den Nachweis der Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette gedrungen. Realistischerweise konnte eine eigenständige individuelle Risikoprüfung auf Herz und Nieren von den unmittelbar gesetzlich betroffenen Unternehmen aufgrund der umfangreichen Vorgaben in Verbindung mit den hohen Lieferantenanzahlen ohnehin nicht erwartet werden. Bei den großen Unternehmen bestehen teilweise fünf- bis zu sechsstellige Lieferantenbeziehungen bereits auf der ersten Lieferantenstufe, von denen sich jährlich erfahrungsgemäß zwischen fünf und 15 Prozent austauschen. Und auch die Lieferanten und lediglich mittelbar betroffene Unternehmen haben sich ihrerseits desselben Instruments bedient und haben ihre Codes of Conduct an ihre Lieferanten weitergegeben bzw. an ihre unmittelbaren Lieferanten entsprechende Abfragen adressiert. Es ist darüber hinaus zu erwarten, dass sich dieser Dominoeffekt im Zuge der europäischen CSDDD-Umsetzung perpetuieren wird, da an die Unternehmen wesentlich umfangreichere Anforderungen gestellt werden. Insoweit muss die Frage aufgeworfen werden, wie die stetig steigenden gesetzlichen Anforderungen Compliance-gerecht erfüllt werden können, um den umfangreichen neuen Berichtspflichten zu entsprechen, ohne eine Bugwelle administrativer Belastungen auszulösen.

Berichtspflichten kein Selbstzweck 

Die grundsätzliche Zweckmäßigkeit ausgewogener und praxisgerechter Berichtsformate wird selten in Zweifel gezogen. Mit dem Einstieg in die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen kann mehr als der Zweck, reine Unternehmensinformationen zur Verfügung zu stellen, erreicht werden. Vielmehr gewinnt die Nachhaltigkeit mit der Berichterstattung zumeist auch unmittelbar Einfluss auf die Unternehmensstrategie. So wird Nachhaltigkeit im berichtenden Unternehmen nicht nur als singuläres oder als separates Thema aufgefasst, sondern erwächst in gewisser Weise zum Paradigma.

Diese positive Erkenntnis konnte im Rahmen eines Projekts der Nachhaltigkeitsinitiative Chemie,³ bei dem der Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMUs gefördert wurde, gewonnen werden. Jedoch hat sich auch gezeigt, dass die Berichterstattung kein alleiniger Selbstzweck sein darf. Insbesondere dann, wenn hieran auch rechtliche Folgen geknüpft sind. Für die Akzeptanz der Berichtspflichten ist zwingend erforderlich, dass eine praxisgerechte Informationsgewinnung möglich ist und die Nachhaltigkeitsberichte auch ausgewogene und praxisnahe Informationen für Dritte bereitstellen. Es geht im Wesentlichen um den Mehrwert, der durch die gewonnenen Informationen entstehen kann. Dies umso mehr, wenn auch kleine und mittelständische Unternehmen in die Pflicht genommen werden.

Noch ein gutes Stück vom Ziel entfernt 

Zahlreiche Beispiele für eine verfehlte Architektur der Berichterstattung ließen sich finden. Jedoch wird eine praxisgerechte und ausgewogene Fortentwicklung allein mit einem ständig mäkelnden Blick in den Rückspiegel die bestehenden Fehlwirkungen nicht beseitigen. Von Seiten der Politik wird nahezu einhellig betont, dass die Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten nicht mehr zurückgedreht werden kann. Im Gegenteil: Sowohl auf der europäischen als auch auf der nationalen Ebene wurde der Umfang der Berichtspflichten in den letzten Jahren massiv erhöht. Umso mehr gilt es, pragmatische und administrierbare Lösungen zu finden. Dies erfordert insbesondere, eine Verzahnung der Berichtspflichten vorzunehmen und Schnittmengen zu nutzen, um parallele Datenerhebungen zu vermeiden.

​Ziel muss sein, der inflationären Entwicklung neuer Berichtspflichten und -formate Einhalt zu gebieten. Hierzu bedarf es der besseren Abstimmung sowohl auf der Ebene der Politik als auch auf der administrativen Ebene.

Als Ausgangspunkt bietet sich die CSRD mit ihrem breiten Anwendungsbereich an. Ziel muss sein, der inflationären Entwicklung neuer Berichtspflichten und -formate Einhalt zu gebieten. Hierzu bedarf es der besseren Abstimmung sowohl auf der Ebene der Politik als auch auf der administrativen Ebene. Nicht jede neue Nachhaltigkeitsregulierung bedarf ihrer eigenen Berichtsformate. In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, zahlreiche Informationen vor die Klammer zu ziehen, um für unterschiedliche Anforderungen genutzt werden zu können.

Darüber hinaus bedarf es klarer Regelungen, die der digitalisierten Administration zugänglich sind. Unbestimmte Anforderungen mit Wertungsentscheidungen müssen unterbleiben, um den Weg für die Künstliche Intelligenz zu eröffnen.

Ziel muss eine ausgewogene und praxisgerechte Nachhaltigkeitsberichterstattung mit Augenmaß sein, die alle wesentlichen Wirtschaftsaktivitäten mit Nachhaltigkeitsbezug und entsprechenden Beiträgen für die Transformation angemessen erfasst. Davon sind wir jedoch noch ein gutes Stück entfernt.

Berthold Welling

ist Geschäftsführer des VCI – Verband der Chemischen Industrie e.V. mit 1.900 Unternehmensmitgliedern der Unternehmensbereiche Chemie und Pharma. Er ist für Recht und Steuern verantwortlich.

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[1] Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.

[2] Verordnung (EU) 2023/1115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt.

[3] Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959).

[4] Verordnung (EU) 2023/956 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems.

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