Dr. Holger Bingmann (ICC Germany)

Ein Jahrhundert ICC Germany

Wirtschaftliche Freiheit braucht verlässliche Regeln

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Seit 100 Jahren steht ICC Germany für die Prinzipien des freien und regelbasierten Welthandels. 1925 von führenden Vertretern der deutschen Wirtschaft gegründet, engagiert sich die Organisation bis heute für offene Märkte, internationale Kooperation und verantwortungsvolles Unternehmertum. In Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen und protektionistischer Tendenzen erinnert das Jubiläum daran, dass wirtschaftliche Freiheit nur auf der Grundlage verlässlicher Regeln bestehen kann. ICC Germany setzt sich gemeinsam mit der globalen ICC für die Reform des multilateralen Handelssystems, die Digitalisierung des Welthandels und die nachhaltige Transformation der Wirtschaft ein – im Bewusstsein, dass globaler Wohlstand, Stabilität und Frieden untrennbar miteinander verbunden sind.

Als am 22. Oktober 1925 führende Vertreter der deutschen Wirtschaft in Berlin die deutsche Vertretung der Internationalen Handelskammer gründeten, war dies weit mehr als die Etablierung einer neuen Organisation: Es war ein politisches Signal. Nur sechs Jahre nach der Gründung der ICC in Paris, und ein Jahr bevor Deutschland dem Völkerbund beitrat, bekannte sich die deutsche Wirtschaft zur Idee des freien Welthandels – zu Kooperation statt Konfrontation, zu Regeln statt Machtpolitik.

Diese Haltung war damals visionär und ist es heute wieder. Denn 100 Jahre später steht die Weltwirtschaft erneut an einem Wendepunkt.

Ein Jahrhundert im Dienst des regelbasierten Handels

Die Gründung der ICC im Jahr 1919 war eine Reaktion auf die Zerstörungen des Ersten Weltkriegs. Unternehmer, Bankiers und Händler aus Europa und den USA – die sog. Merchants of Peace – sahen im freien Handel den Schlüssel zu Frieden und Wohlstand. Ihr Ziel war es, internationale Standards zu schaffen, Handelshemmnisse abzubauen und damit eine Grundlage für stabile wirtschaftliche Beziehungen zu legen.

Schon ein Jahr nach der deutschen Gründung wurde diese Vision in konkrete Arbeit umgesetzt. Unter Mitwirkung deutscher Experten entstanden in den 1920er- und 1930er-Jahre die ersten „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive“ – ein Regelwerk, das bis heute weltweit den Zahlungsverkehr absichert – sowie die Incoterms, die bis heute Bestandteil nahezu jedes internationalen Kaufvertrages sind. Auf deutsche Initiative hin wurden in dieser Zeit ebenfalls die ersten Grundsätze für lautere Werbung entwickelt, die 1937 in den internationalen Werbekodex mündeten.

Von der Nachkriegsordnung zur Globalisierung

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und einer zeitweisen Suspendierung innerhalb der ICC nahm die deutsche Gruppe 1948 ihre Arbeit wieder auf – zunächst in Köln, später erneut in Berlin. Sie wurde zu einem wichtigen Akteur beim Wiederaufbau internationaler Handelsbeziehungen und bei der Integration der Bundesrepublik in die westliche Wirtschaftsordnung.

Mit der Liberalisierung der Weltmärkte, dem Aufstieg der Welthandelsorganisation und der Globalisierung in den 1990er- und 2000er-Jahren entwickelte sich das deutsche Nationalkomitee der ICC zu einem wichtigen Sprachrohr der deutschen Wirtschaft innerhalb der ICC. Deutsche Unternehmen, Verbände, Kammern und Kanzleien nutzten und nutzen das Netzwerk, um Erfahrungen auszutauschen, Positionen zu entwickeln und deutsche Perspektiven in globale Gremien einzubringen.

Heute gehört ICC Germany zu den größten und aktivsten Nationalkomitees der ICC. Mit Mitgliedern aus Industrie, Handel, Finanzwesen, Recht und Verbänden repräsentiert sie die Breite der deutschen Wirtschaft – und ihre Stimme wird international gehört.

100 Jahr-Feier von ICC Germany am 13. Oktober 2025 in Berlin

Globale Regeln in einer Welt wachsender Unsicherheit

Die Gegenwart zeigt, wie fragil die Grundlagen des Welthandels geworden sind. Protektionistische Tendenzen nehmen zu, geopolitische Konflikte verschärfen sich, die regelbasierte Weltordnung gerät unter Druck. Handelspolitik wird zunehmend zur Machtpolitik.

Für ICC Germany ist dies Auftrag und Verpflichtung zugleich. Wir stehen nach wie vor für die Überzeugung ein, dass wirtschaftliche Offenheit und internationale Kooperation nicht nur ökonomische, sondern auch politische Stabilität fördern. Nur in einem regelbasierten, verlässlichen Umfeld können Unternehmen investieren, Innovationen entwickeln und Arbeitsplätze sichern.

Deshalb setzen wir uns – gemeinsam mit der globalen ICC – für die Stärkung des Multilateralismus ein. Wir arbeiten an Konzepten zur Reform des internationalen Handelssystems, unterstützen die WTO in ihrem Erneuerungsprozess und engagieren uns für die digitale Transformation des Welthandels. Digitale Handelsdokumente, klare Rahmenbedingungen für nachhaltige Lieferketten und transparente Regeln für den globalen Wettbewerb sind dabei zentrale Zukunftsthemen, in denen die ICC weltweit Impulse setzt – und ICC Germany als aktiver Partner mitgestaltet.

Wirtschaftliche Verantwortung im globalen Kontext

100 Jahre ICC Germany bedeuten auch: 100 Jahre Einsatz für verantwortungsvolles Unternehmertum. In einer Welt, die zunehmend von Misstrauen und Blockbildung geprägt ist, braucht es Institutionen, die Vertrauen schaffen – durch international geltende Standards und Regeln, entwickelt im weltweiten Dialog. Die ICC steht seit jeher für diese Prinzipien. 2016 erhielt sie den offiziellen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen – ein Beleg dafür, dass wirtschaftliche Perspektiven heute fester Bestandteil internationaler Entscheidungsprozesse sind.

ICC Germany versteht sich als Brücke zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Wir vertreten die Interessen der deutschen Wirtschaft in multilateralen Foren – aber immer mit dem Bewusstsein, dass wirtschaftliche Freiheit ohne gesellschaftliche Verantwortung nicht dauerhaft bestehen kann. Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung sind längst keine Randthemen mehr, sondern Voraussetzung für stabile Märkte.


Die Zukunft des Welthandels – eine deutsche und globale Aufgabe

Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land vom freien Handel. Mehr als 40 Prozent der deutschen Wertschöpfung hängen vom Export ab, Millionen Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt mit internationalen Märkten verbunden. Umso wichtiger ist es, die Grundlagen dieses Erfolgs zu sichern. Das bedeutet: verlässliche Regeln statt Ad-hoc-Entscheidungen, faire Wettbewerbsbedingungen statt Subventionswettläufe, offene Märkte und Freihandel statt Abschottung.

Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es gelingt, den Multilateralismus an das 21. Jahrhundert anzupassen – mit neuen Technologien, nachhaltigen Lieferketten und fairen Handelsbedingungen. Die ICC wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Sie ist die einzige wirklich globale Wirtschaftsorganisation, die Unternehmen, Regierungen und internationale Institutionen an einen Tisch bringt.

100 Jahre sind Verpflichtung – nicht Rückblick

Unser Jubiläum ist deshalb kein nostalgischer Blick zurück, sondern ein wirtschaftspolitisches Bekenntnis: Wir wollen die internationale Zusammenarbeit aktiv gestalten – auf Basis von Fairness, Rechtsstaatlichkeit und ökonomischer Vernunft.

Im Franz-von-Mendelssohn-Saal im Haus der Deutschen Wirtschaft, benannt nach unserem ersten Präsidenten, haben wir diesen Oktober unser 100-jähriges Jubiläum gefeiert – als Erinnerung daran, dass die Wirtschaft schon 1925 weiterdachte, als die Politik noch zögerte. Hundert Jahre ICC Germany stehen wir nach wie vor für die Idee, dass Wohlstand und Frieden sich gegenseitig bedingen. Diese Überzeugung bleibt unser Kompass.

Machen wir uns also auf den Weg in das zweite Jahrhundert von ICC Germany!

Dr. Holger Bingmann

Präsident von ICC Germany

Oliver Wieck

Generalsekretär von ICC Germany

Bilder © ICC Germany/Jens Schicke

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