
Prof. Dr. Christoph v. Bernstorff
Der neue ICC-Musterkaufvertrag
Wichtige Grundlage für Unternehmen im Auslandsgeschäft
Die Internationale Handelskammer (ICC) hat Ende 2024 das bereits seit Jahrzehnten bewährte „ICC-Muster Internationaler Kaufvertrag (Hergestellte Güter)“ in einer überarbeiteten Textversion vorgelegt. Für Unternehmen liegt damit ein aktualisierter Mustertext (einschließlich AGB-Teil) für das internationale Warenkaufgeschäft vor.
Der im Jahr 2024 neu aufgelegte und überarbeitete Musterkaufvertrag ist der jüngste in einer Reihe erfolgreicher ICC-Musterverträge, die von der ICC-Kommission für Handelsrecht und -praxis ausgearbeitet wurden. Das in englischer und deutscher Sprache verfügbare Formularmuster ist gleichermaßen für die Verwendung durch Verkäufer und Käufer geeignet, da es die Interessen beider Vertragsparteien ausbalanciert. Der ICC-Mustervertrag enthält eine vollständig bearbeitbare Text- und Formularversion in Microsoft Word, sodass er problemlos an Nutzerbedürfnisse angepasst werden kann. Er ist vorrangig auf Kaufverträge über hergestellte Waren ausgerichtet, in denen der Käufer kein Verbraucher ist und in denen es um eine einzelne Transaktion und nicht um eine langfristige Liefervereinbarung geht.
Der Mustervertrag besteht aus zwei Teilen – dem ersten Formularteil mit seinen zum detaillierten Ausfüllen geeigneten Formularfeldern der „Besonderen Bedingungen“, gefolgt vom durchgängig ausformulierten Text der „Allgemeinen Bedingungen“, der sich wie ein Textteil mit klassischen „AGB“ versteht. Er wurde inhaltlich so ausgeglichen formuliert, dass er ebenfalls von beiden Vertragsparteien genutzt werden kann. Beide Vertragsteile des ICC-Mustervertrags können auch unabhängig voneinander genutzt werden, so dass es sich auch anbietet, beispielsweise nur den „Allgemeinen Teil“ als Vorlage für die Erstellung eigener Unternehmens-AGB für das Auslandsgeschäft zu nutzen.
Beim Kaufvertrag muss es sich um ein internationales Warenkaufgeschäft handeln. Nur dann kann das Gesetz zum internationalen Warenkauf (CISG) zur Anwendung kommen, auf das sich das ICC-Muster bezieht. Ein internationaler Kaufvertrag im Sinne des CISG liegt vor, wenn Verkäufer und Käufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über „Niederlassungen“ tätig werden, die in verschiedenen Staaten liegen, Art. 1 Abs.1 CISG. Dies muss bei Vertragsschluss erkennbar sein, Art. 1 Abs. 2 CISG.
Die Formularfelder für individuelle Anwendung
Die ersten Formularfelder dienen der Benennung der Vertragsparteien, detaillierter Beschreibungen der verkauften Ware und Festlegungen zum Vertragspreis (Klausel Felder A-1 und A-2). Formularfeld 3 enthält die besonders wichtige Komponente der „Lieferbedingungen“. Die Vertragsparteien sollen ihre Lieferbedingungen auf Basis der Incoterms®2020 vereinbaren, jeweils ergänzt durch Nennung eines Orts oder Hafens, und sie sollen die maßgebliche Stelle innerhalb des benannten Ortes oder Hafens dann so präzise wie möglich festzulegen. Dabei ist der ICC-Mustervertrag so aufgebaut, dass das Formularfeld A-3 vorrangig die „empfohlenen Bedingungen“ (FCA, CPT, CIP, DAT, DPU) abbildet, denen die für die Praxis seltener genutzten „weiteren Bedingungen“ (EXW, DDP, FAS, FOB, CFR und CIF) folgen.
Trotz der Auflistung wichtiger Vertragspflichten sowie der Regelung zur Kosten- und Risikoteilung zwischen Verkäufern und Käufern können die Incoterms®-Klauseln, die für eine möglichst breite Anwendung erstellt wurden, nicht immer die nötigen Antworten auf alle denkbaren Praxisfragen geben, die sonst noch im Rahmen des Geschäfts zwischen den Vertragsparteien auftreten können. Daher sollte bei Vereinbarung einer standardisierten Lieferbedingung wie die der Incoterms stets geprüft werden, ob zusätzliche Bemerkungen/Details für die Abwicklung des Kaufgeschäfts von vornherein mit vereinbart werden müssen.
Das ICC-Muster Internationaler Kaufvertrag enthält naturgemäß auch Regelungen zu Zahlungsbedingungen, die wesentlicher Bestandteil eines Kaufvertrags sind. Mangels Zahlungsbedingung in einem Kaufvertrag sind die gegenseitigen Leistungspflichten im Zweifel sofort zu erbringen. Da in der internationalen Geschäftspraxis aber die Einräumung von Zahlungszielen (oder gelegentlich auch Vorkasse) üblich ist, bedarf es auch einer Klarstellung, wie diese Vereinbarung näher ausgestaltet sein soll. Da die Bezahlung des Kaufpreises eine wesentliche (Haupt-)Pflicht auf Seiten des Warenkäufers ist, muss die Zahlungsbedingung präzise regeln, wann der Kaufpreis fällig ist, welche Höhe er hat und auf welche Weise er bezahlt werden soll.
In internationalen Kaufgeschäften ist es gängige Praxis, dass ein Verkäufer dem Käufer mit der Warenlieferung bestimmte Dokumente zur Verfügung stellt, wie etwa Rechnung, Transportdokumente, Ursprungszeugnisses, Zertifikate usw. Formularfeld A-8 des Mustervertrages sieht vor, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit haben, ihre Absichten und Anweisungen hinsichtlich der Dokumente ausdrücklich anzugeben.
Die Vertragsparteien können durch Ausfüllen von Formularfeld A-6 des Mustervertrages oder auf andere Weise vereinbaren, dass die Waren bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers verbleiben. Dabei sollte beachtet werden, dass ein Eigentumsvorbehalt in vielen nationalen Rechtsordnungen nicht immer anerkannt und durchsetzbar ist.
Wichtige Formularfelder für die Geschäftsabwicklung
Im internationalen Handel vereinbaren die Vertragsparteien häufig, dass Waren vor dem Versand untersucht werden sollen. Damit soll erreicht werden, dass einerseits eine Bezahlung (mit dem Problem der etwa notwendigen Rückerstattung) unterbleibt, andererseits der Versand (mit dem Problem der gegebenenfalls erforderlichen Rücksendung) von vornherein unterbunden werden, sofern die Waren bestimmten Anforderungen nicht genügen und dies im Prüfungsbericht vermerkt wird.
Der ICC-Mustervertrag befasst sich auch mit den Rechtsbehelfen des Käufers, wenn er eine nicht vertragsgemäße Ware geliefert bekommt. Hierzu sind erst einmal die grundlegenden Bestimmungen des CISG heranzuziehen. Danach darf der Käufer Rechtsbehelfe geltend machen, wenn die gelieferte Ware zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Art. 36 CISG) vertragswidrig ist, also weder den Anforderungen des Vertrages noch des Gesetzes entspricht (Art. 35 Abs. 1 und 2 CISG), es sei denn, der Käufer wusste bei Abschluss des internationalen Kaufvertrages von der Vertragswidrigkeit oder konnte darüber nicht in Unkenntnis sein (Art. 35 Abs. 3 CISG). Die Vertragswidrigkeit der Ware bezieht sich hierbei auf Sachmängel (nicht auf Rechtsmängel und auch nicht auf die Übergabe nicht vertragsgemäßer Dokumente).
Damit die Vertragswidrigkeit der Ware (Sachmangel) präzise festgestellt werden kann, ist es unerlässlich, dass die Vertragsparteien die Ware exakt beschreiben nach Art, Menge, Eigenschaften, Verwendungsmöglichkeiten usw. (vgl. ICC Muster Formularfeld A-1). Ungenaue Warenbeschreibungen erschweren die Feststellung der Vertragswidrigkeit unnötig.
Fazit
Mit der Neufassung 2024 des bewährten ICC-Musterkaufvertrags steht der Geschäftspraxis ein ausgezeichnetes Hilfsmittel zur Verfügung, das in mehrsprachiger Fassung vorliegt, einen kompletten „AGB-Teil“ enthält und für den es (zur Vorauflage) auch eine umfassende deutschsprachige Kommentierung gibt. Die Internationale Handelskammer hat mit diesem Mustervertrag einen weiteren Mosaikstein zu ihren äußerst umfangreichen Muster- und Regelwerken hinzugefügt, die von Unternehmern jederzeit genutzt, angepasst und verändert werden können. Für den Muster-Kaufvertrag ist dies künftig zeit- und kostensparend auch „online“ möglich.

Prof. Dr. Christoph Graf von Bernstorff
war bis Mitte 2022 als Rechtsanwalt in einer großen Wirtschaftskanzlei mit Sitzen in Hamburg und Bremen tätig und ist als Professor für internationales Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bremen auch weiterhin als Unternehmensberater tätig. Er ist Autor einer Vielzahl aktueller Fachbücher für die Außenhandelspraxis und Mitglied der ICC-Kommission für internationales Handelsrecht.

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