► Interview 

Verantwortungsbewusst Werben


Katja Heintschel von Heinegg ist seit 2021 Geschäftsführerin des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Die Juristin ist gleichzeitig auch Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, der Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft. Mit ihr haben wir über das Thema verantwortungsbewusste Werbung gesprochen.



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ICC GERMANY: „Verantwortungsbewusst werben“ – was bedeutet das aus Ihrer Sicht?

VON HEINEGG: Werbung ist die kommerzielle Kommunikation eines Unternehmens. Sie ist vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt und wesentliches Element für einen freien Wettbewerb um die Gunst der Kundinnen und Kunden. Ohne Werbung kann unser Wirtschaftssystem nicht funktionieren. Gleichzeitig müssen Unternehmen ihre gesellschaftliche und soziale Verantwortung wahrnehmen und verantwortungsvoll werben. Neben dem Einhalten der rechtlichen Vorgaben gehört ebenso dazu, ethische Grenzen nicht zu überschreiten. Werbung darf deshalb den gesellschaftlichen Grundüberzeugungen nicht widersprechen und beispielsweise keine Personengruppen diskriminieren oder herabwürdigen. Bei Werbung, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, ist besonderes Augenmerk gefragt und die fehlende Werbe- und Medienkompetenz dieser Altersgruppe zu beachten. In Deutschland hat sich die gesamte Werbewirtschaft seit über 50 Jahren auf die Verhaltensregeln des deutschen Werberats als Leitplanken für verantwortungsvolle Werbung geeinigt. Wir setzen diese Selbstverpflichtung im Wege der Selbstregulierung durch. 

ICC GERMANY: Von Social Media hin zu Künstlicher Intelligenz… was hat sich hier in den letzten Jahren besonders verändert? 

VON HEINEGG: Neue Technologien haben die kommerzielle Kommunikation in den letzten Jahren und Jahrzehnten maßgeblich beeinflusst und verändert. Der Anspruch an verantwortungsvolle Kommunikation bleibt aber natürlich bestehen und gilt für alle Player am Markt. Mit dem Entstehen der Plattformen gilt dies selbstverständlich auch für soziale Medien und kommerzielle Kommunikation auf diesen Kanälen, sowohl für Unternehmen wie auch für Creator, die als Influencer tätig sind.

Die Verhaltensregeln des Werberats sind medienneutral ausgestaltet, so dass sie auch für sich neu entwickelnde Formate von Anfang an Geltung haben. Gleiches gilt auch für neuartige Produktionstechniken, also zum Beispiel für den Einsatz von KI in der Werbung. Dieser ist jetzt schon an Werte und Normen gebunden. Zudem werden selbstregulative Vorgaben regelmäßig auf die sich veränderten technologischen aber auch gesellschaftlichen Entwicklungen überprüft und gegebenenfalls angepasst.

Dies ist einer der wesentlichen Vorteile von Selbstregulierung gegenüber gesetzlichen Vorgaben. Selbstregulierung kann deutlich schneller und effektiver auf Veränderungen reagieren und passgenauer regulieren als staatliche Gesetzgebung.

ICC GERMANY: Auf europäischer Ebene gab und gibt es in der letzten Zeit einiges an regulatorischen Initiativen: vom Digital Service Act zum Beispiel, der Werbende für mehr Transparenz in die Pflicht nimmt, hin zur sog. Green-Claims-Richtlinie, die falschen oder irreführenden Aussagen zu Umweltangaben, „Greenwashing“, vorbeugen soll…. 

VON HEINEGG: Auch der Gesetzgeber, europäisch wie national, reagiert auf die technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Das ist grundsätzlich natürlich auch angebracht. Wir sehen häufig Regelungen, die gut gemeint sind und unterstützenswerte Ziele vor Augen haben. Aber bei genauerer Betrachtung sind sie kontraproduktiv. Beispielsweise dürfen Vorgaben gegen Greenwashing nicht dazu führen, dass Werbung mit Umweltangaben mit solchen Hürden versehen werden, dass Unternehmen auf solche Kommunikation verzichten, oder Initiativen zum Klimaschutz unterbleiben, weil sie nicht kommuniziert werden dürften. Gleichzeitig muss natürlich irreführende Werbung mit Umweltangaben unterbunden werden und das geltende Recht wirksam durchgesetzt werden. Das funktioniert in Deutschland mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das im Wege der privaten Rechtsdurchsetzung durch klagebefugte Verbände durchgesetzt wird, effektiv und gut. 

Hinsichtlich der Transparenzverpflichtungen aus dem DSA ist entscheidend, dass die mit der Aufsicht betreute Behörde, in Deutschland die Bundesnetzagentur, die verpflichteten Unternehmen nicht nur hoheitlich beaufsichtigt, sondern zu den umzusetzenden Verpflichtungen auch umfassend dialogbereit und -fähig ist und im Austausch mit der Praxis und den Verbänden praktikable Maßgaben und Verfahren findet.

ICC GERMANY: Die Internationale Handelskammer gibt schon seit den 1930er-Jahren den Kodex zur Praxis der Werbe- und Marketingkommunikation heraus, der weltweit Anwendung findet und international anerkannte Kernvorstellungen über verantwortungsvolle Marktkommunikation enthält. Vor wenigen Wochen ist die nun elfte Auflage erschienen. Sie waren Teil der Arbeitsgruppe, die den Text grundlegend überarbeitet und an neue Gegebenheiten und Trends angepasst hat. Was war für Sie dabei besonders wichtig?

Mehr Informationen zum ICC-Kodex finden Sie hier

VON HEINEGG: Der ICC-Kodex setzt einen weltweit geltenden Mindeststandard für verantwortungsvolle Werbung. Er ist ein wichtiges Werkzeug, um die Wirksamkeit der Selbstregulierung und damit das Vertrauen im Bereich Werbung weltweit zu stärken. Um relevant zu bleiben, muss er deshalb regelmäßig überarbeitet werden. Als weltweiter Kodex stellt er die Basis für alle nationalen Verhaltensregeln dar, so auch in Deutschland. Als der Werberat 1972 gegründet wurde, bestand der ICC-Kodex bereits seit 45 Jahren und stellte auch für den Werberat die Basis der Werbeselbstregulierung dar.

Im Laufe der Jahre hat der Deutsche Werberat neben den Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation weitere Regelwerke verabschiedet, die den nationalen Besonderheiten Rechnung tragen und den werbenden Unternehmen in sensiblen Bereichen Leitplanken für ihre kommerzielle Kommunikation geben. Die deutsche Werbeselbstregulierung ist damit detaillierter und spezieller als der weltweit geltende ICC-Kodex, wird aber vom gleichen Ziel getragen: Verantwortungsvolle Werbung zu gewährleisten. Für mich ist es deshalb besonders wichtig, in den ICC-Kodex auch Erfahrungen einzubringen, die sich in Deutschland in der Praxis bewährt haben.

ICC GERMANY: Welchen Beitrag leisten Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft? 

VON HEINEGG: Der Deutsche Werberat trägt seit über 50 Jahren dazu bei, von der Gesellschaft nicht akzeptierte Werbung zu vermeiden oder nach der Veröffentlichung zu korrigieren. Dabei agiert er frei von staatlicher Aufsicht als unabhängiges Selbstkontrollorgan der Wirtschaft. Seine Arbeit erfährt große Akzeptanz und Anerkennung – von der Wirtschaft selbst, von Öffentlichkeit und Politik und vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit ihrer Kritik an einzelnen Werbemaßnahmen an ihn wenden. Die Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft stellt sicher, dass rechtlich zulässige Werbung auch verantwortungsvoll und im Einklang mit den gesellschaftlichen Grundüberzeugungen erfolgt.

Neue Technologien werden die kommerzielle Kommunikation weiter verändern und beeinflussen. Entscheidend ist, bestehende Werte und Regelungen nicht aus den Augen zu verlieren.

ICC GERMANY: Noch ein Blick in die Zukunft: Was wird Ihrer Ansicht nach in den kommenden Jahren die größte Herausforderung der Werbewirtschaft werden und wie kann sichergestellt werden, dass mit dieser verantwortungsvoll umgegangen wird? 

VON HEINEGG: Neue Technologien werden die kommerzielle Kommunikation weiter verändern und beeinflussen. Entscheidend ist, hier die bestehenden Werte und Regelungen nicht aus den Augen zu verlieren, sondern an sich verändernde Technologien anzupassen. Dies wird gemeinsam mit allen am Werbegeschäft Beteiligten, also werbende Unternehmen, Medien und Agenturen, wie sie unter dem Dach des ZAW, dem Träger des Deutschen Werberats, versammelt sind, gelingen. Gerade in sich ständig veränderten Gesellschaften ist der Austausch mit den von Regulierung betroffenen Akteuren entscheidend, um flexible und angemessene Vorgaben zu finden und durchzusetzen.

Katja Heintschel von Heinegg

ist seit 2021 Geschäftsführerin des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Die Juristin ist gleichzeitig auch Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, der Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft.

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