
ICC-Schiedsgerichtsordnung
Die aktuelle Fassung der ICC-Schiedsgerichtsordnung ist seit Januar 2021 gültig und in mehreren Sprachen abrufbar.
Zur Förderung der Verfahrenseffizienz sieht die ICC-Schiedsgerichtsordnung eine Reihe von Instrumenten vor, die darauf zugeschnitten sind, Schiedsverfahren zeit- und kostengünstiger zu gestalten. Dazu gehören etwa die Bestimmungen zum beschleunigten Verfahren („Expedited Procedure Provisions“), die ein vereinfachtes Verfahren mit reduzierten Gebühren vorsehen, bei dem Einzelschiedsrichterinnen und -schiedsrichter innerhalb von sechs Monaten nach der Verfahrensmanagementkonferenz einen Schiedsspruch erlassen. Ein weiteres wichtiges Instrument ist das Eilschiedsrichterverfahren (Emergency Arbitration), bei dem Parteien vor Konstituierung des Schiedsgerichts vorläufigen Rechtsschutz beantragen können. Darüber hinaus wird die ICC-Schiedsgerichtsordnung regelmäßig überarbeitet – die aktuelle Fassung von 2021 befindet sich derzeit in einem solchen Prozess –, um sie an neue rechtliche und technologische Entwicklungen anzupassen.
Zudem hat die ICC einen großen Schritt in Richtung Transparenz gemacht, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen die Veröffentlichung von ICC-Schiedssprüchen ermöglicht. Um dies benutzerfreundlich umzusetzen, kooperiert die ICC seit 2021 mit Jus Mundi.
Schließlich geht der Trend bei Schiedsregeln dahin, Transparenz bei der Drittfinanzierung (Third-Party Funding) zu gewährleisten. Die ICC-Schiedsgerichtsordnung sieht seit 2021 vor, dass Parteien entsprechende Vereinbarungen offenlegen müssen, um potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden.
ICC GERMANY: Wie unterscheidet sich die Schiedsberichtsbarkeit der ICC im Vergleich zu anderen internationalen Schiedsinstitutionen?
TSAKIRI: Die ICC ist die führende globale Schiedsinstitution mit einer über 100-jährigen Geschichte. Sie ist nicht an eine bestimmte geografische Region gebunden oder von wechselnden politischen Einflüssen abhängig. Seit über 100 Jahren verfolgt der ICC Court sein oberstes Ziel, Menschen weltweit Zugang zum Recht zu verschaffen.
Die globale Reichweite zeigt sich auch in den Fallzahlen von 2023:
- Parteien aus 141 Ländern (deutsche Parteien sind historisch stark vertreten, 2023 nach den USA am zweitmeisten)
- Anwendbares Recht aus 112 verschiedenen Rechtsordnungen (deutsches Recht in 62 Fällen)
- Schiedsrichterinnen und -richter aus 89 Ländern (Deutschland unter den Top 5)
- Schiedsorte in über 116 Städten (deutsche Städte unter den Top 10)
Ein besonderes Merkmal des ICC-Verfahrens ist die Überprüfung von Schiedssprüchen durch den ICC Court im sog. Scrutiny-Verfahren. Der Schiedsgerichtshof prüft den Entwurf des Schiedsspruchs mit Unterstützung seines Sekretariats sorgfältig, um dessen Qualität und Vollstreckbarkeit sicherzustellen.
ICC GERMANY: Wie kann sichergestellt werden, dass ein Schiedsverfahren effizient und fair verläuft, insbesondere in komplexen internationalen Fällen?
TSAKIRI: Viele von der ICC verwaltete Verfahren sind komplexe Streitigkeiten mit mehreren Parteien, Verträgen und Schiedsklauseln. Die ICC-Schiedsgerichtsordnung erleichtert die Einbeziehung weiterer Parteien (Joinder) oder die Verbindung mehrerer Verfahren (Consolidation). Zudem enthält Anhang IV der Schiedsgerichtsordnung Beispiele für Verfahrensmanagementtechniken, die Schiedsgerichte und Parteien zur Zeit- und Kostenkontrolle nutzen können. Hierzu zählen etwa: der Erlass eines oder mehrerer Teilschiedssprüche zu Fragen von zentraler Bedeutung, was häufig zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führen kann; die Feststellung, welche Fragen ohne mündliche Beweisführung oder rechtliche Erörterung bei der mündlichen Verhandlung allein aufgrund der Aktenlage entschieden werden können; die Begrenzung von Länge und Inhalt von Schriftsätzen, um Wiederholungen zu vermeiden und eine Konzentration auf die zentralen Fragen zu ermöglichen.
Insgesamt ist die ICC-Schiedsgerichtsordnung dabei derart konzipiert, dass sie sich für jede Art von Fall eignet, da sie eine hohe Flexibilität aufweist und Bestimmungen enthält, die auf komplexe Schiedsverfahren zugeschnitten sind (u.a. Artikel 6-10 ICC-Schiedsgerichtsordnung).
Darüber hinaus investiert die ICC kontinuierlich in Schulungen, um das Verständnis für die verfügbaren Instrumente im Umgang mit Streitigkeiten zu fördern. Hierzu dienen etwa die Advanced Arbitration Academies (z.B. 2024/2025 in Osteuropa, Afrika, Nahost), maßgeschneiderte Trainings für Unternehmen und Kanzleien sowie zahlreiche Konferenzen weltweit.
ICC GERMANY: Wie gehen Sie mit den kulturellen Unterschieden um, die bei Schiedsverfahren zwischen internationalen Parteien entstehen können?
TSAKIRI: Internationale Schiedsverfahren bringen Beteiligte aus unterschiedlichen Rechtskulturen zusammen. Der erfolgreiche Umgang damit erfordert Sorgfalt bei der Auswahl der Schiedsrichterinnen und -richter und der Verfahrensführung. Bei der Ernennung achtet der ICC Court auf Vielfalt – geographisch, kulturell, generationell und geschlechtsspezifisch – und ermutigt auch die Parteien dazu. Die Rechtssysteme und -traditionen der Parteien beeinflussen das Verfahren und werden vom Schiedsgerichtshof bei Ernennungen berücksichtigt.
Die ICC hat maßgeblich die Schaffung einer globalen Schiedsverfahrenskultur unterstützt, indem sie standardisierte Regeln und administrative Unterstützung bereitstellt sowie zur Etablierung von „Best Practices“ beigetragen hat, die international weithin anerkannt sind. Dies fördert Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit, unabhängig von der Herkunft der Beteiligten.


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