Prof. Achim Albrecht 
(Westfälische Hochschule)

Dropshipping 

Versandhandel mit Ecken und Kanten

Das Dropshipping-Versandhandelmodell verspricht weltweit Geschäfte ohne Investitionen, ohne Lagerhaltung und Logistik und mit überschaubaren Risiken. Das Prinzip klingt verlockend: Kundenbestellungen gehen beim eCommerce-Händler ein, die Produkte werden direkt vom Hersteller an den Kunden versandt.

Glaubt man den zahlreichen Dropshipping-Anbietern, ging Geldverdienen noch nie einfacher. Was man brauche, sei eine eigene Website und die Kooperation mit einem Herstellernetzwerk, das das Angebot des Dropshippers speist. Man denke z.B. an Temu, den wohl größten Dropshipping-Marktplatz der Welt, der auf hunderttausende Produkte chinesischen Ursprungs zurückgreifen kann. Kunden von Temu kommen noch immer vornehmlich aus dem B&C-Bereich, doch zunehmend finden sich Temu-Produkte auch beim Einzelhandel und in Kaufhäusern. Dropshipping hat längst den B&B-Handel erreicht. 

Der Reiz des Geschäftsmodells besteht darin, dass man angeblich sofort und ohne lange Vorbereitung mit seinem Versandhandel durchstarten kann. „Werde Dropshipper in 3 einfachen Schritten“, verspricht die Werbung. Gehen die ersten Bestellungen über die eigene Website ein, werden diese von den Herstellern nach Wunsch gelabelt und verpackt und direkt an den Kunden versandt. Auftragsprovisionen, Lagerhaltung und Logistik sind für den Dropshipper Fremdworte. Retouren und Kundenservice werden mit Unterstützung des Dropshipping-Netzwerks abgewickelt. Der Kernsatz lautet fast übereinstimmend: “Our dedicated team ensures smooth logistics and hassle-free customer service.” Einzige Aufgabe des Drophipper-Neulings scheint es zu sein, sich über die immer weiter steigenden Umsätze zu freuen. Derartige Anpreisungen haben zu einem wahren Dropshipping-Boom geführt.

Was ist Dropshipping?

Beim Dropshipping handelt es sich um ein wohlbekanntes Handelskonzept mit modernem Anstrich. Schon in den 1970er Jahren war eine vergleichbare Handelsvariante als „Streckengeschäft“ bekannt. In Zeiten von Amazon und anderen großen Handelsplattformen wird diese Form des Direktversandes auch als „Fulfillment by…“ bezeichnet, was nichts anderes bedeutet als die Abwicklung einer Kundenbestellung über den folgenden Kreislauf:

Der Kunde bestellt eine Ware über eine Website, ohne zu wissen oder darüber aufgeklärt zu werden, dass er die Ware direkt vom Hersteller erhalten wird. Der Online-Shop-Betreiber und -Dropshipper übermittelt die Kundenbestellung beim Herstellernetz mit direkter Lieferung an den Kunden. Der Dropshipping-Partner (Hersteller oder Großhändler) verpackt die Ware im Branding des Verkäufers und versendet sie an den Kunden.

Der Bezahlvorgang läuft für den Kunden über den Online-Shop (Kaufpreis plus Versandkosten), der Dropshipper zahlt den Einkaufspreis plus Versandkosten an den Hersteller und dieser liefert im Namen des Online-Händlers aus. Keinesfalls ist Dropshipping ein Kommissionsgeschäft, das nur dann vorliegen würde, wenn ein Online-Händler auf fremde Rechnung gegen eine Provision verkaufen würde. Dropshipping ist ein Handelsgeschäft sui generis und keine klassische Handelsvariante des Handelsgesetzbuchs (HGB).

Als augenfällige Vorteile des Dropshipping werden genannt:

  • geringer Investitionsbedarf und kaum Kapitalbindung,
  • Zugang zu einem riesigen Sortiment eines Herstellernetzwerks,
  • hoher Warenumsatz und sofortige Internationalisierbarkeit des Angebots,
  • kein Logistik- und Lagerhaltungsaufwand.

Negativpunkte des Dropshipping-Modells sind:

  • Qualitätsprobleme bei Produkten,
  • Fehler bei Verpackung, Verzollung und Dokumentengeschäft,
  • lange oder ungewisse Lieferzeiten,
  • vollständiger Kontrollverlust über die beworbenen Produkte und die Warenbestände,
  • Probleme mit Retouren und dem Kundenservice,
  • zusätzliche Gebühren für die Nutzung von Marketplaces, wie Amazon, Alibaba uvm.

Erste Detailfragen

Es sind häufig nicht die bereits genannten Probleme, die Dropshipping zu einer unangenehmen Erfahrung für den Händler und dessen Kunden machen können, sondern rechtliche Herausforderungen, die sich fast zwangsläufig aus dem Dreiecksverhältnis aus Händler, Hersteller und Kunde ergeben. Vertragliche Beziehungen bestehen lediglich zwischen Kunde und Händler und zwischen Händler und Hersteller. Einen direkten Zugriff auf den Hersteller und Versender hat der Kunde nicht. In der Regel ist ihm dessen Existenz und die Rolle im Geschäftsablauf nicht bekannt.

Kommt es zu Schwierigkeiten bei der Lieferung, erfolgt sie verspätet, ist die Ware beschädigt, wird etwas Falsches geliefert oder meldet sich der Zoll beim Empfänger, kann und muss sich der Kunde an den Händler halten, der wiederum die Abläufe weder genau kennt noch initiiert hat. Der Händler kann sich in keinem Fall gegenüber dem Endkunden darauf berufen, dass die Fehlerquelle beim Hersteller und Versender liegt. Oft wird in solchen Fällen versucht, sich auf Geschäftsbedingungen zwischen Händler und Hersteller zu berufen, in denen sich der Händler für Fehler des Herstellers und Versenders exkulpiert. Das kann allerdings dem Kunden nicht entgegengehalten werden und käme einem unwirksamen Vertrag zu Lasten Dritter gleich. 

Gerade im Chinageschäft bleibt neben den vertraglichen Hauptpflichten der drei Handelspartner oft ungeregelt, wie mit Rügeobliegenheiten, Retouren, Transportschäden, Schadensersatzansprüchen, Widerrufen und Gewährleistungsansprüchen umgegangen wird. Ansprechpartner ist und bleibt für den Kunden der Händler und Dropshipper. Besteht zwischen diesem und dem Hersteller und Versender kein perfekt automatisiertes Kundenservice-System und keine transparente Kommunikation, ist das Chaos, das sowohl das Geschäftsmodell als auch den Endkunden schädigt, vorprogrammiert

Neben dem Thema Rechtssicherheit ist auch das Thema Datenschutz allgegenwärtig. Der Dropshipper muss die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zwingend beachten. Kann man bei Adressdaten noch mit „Einwilligung“ oder einem „berechtigten Interesse“ iSd Art. 6 I f DSGVO argumentieren, ist die Migration, Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten nach China oder anderen außereuropäischen Staaten äußerst problematisch, wenn zwischen der EU und dem Empfängerland kein verbindlicher Mechanismus besteht, der dem Empfängerland das gleiche Datenschutzniveau attestiert, wie es die DSGVO gewährleistet. Die Probleme enden allerdings nicht automatisch, wenn – anders als im Fall des Geschäftsverkehrs mit China – personenbezogene Daten in den Rechtsbereich eines Staates abfließen, dessen Datenschutz durch einen Angemessenheitsbeschluss der EU, Art. 45 DSGVO, das gleiche Schutzniveau wie in der EU durch die DSGVO verbrieft, attestiert wird. Bestes Beispiel sind die USA, wo es mit „Safe Harbor“, „Privacy Shield“ und zuletzt „Data Privacy Framework“ drei Anläufe brauchte, von denen noch längst nicht feststeht, ob der dritte Angemessenheitsbeschluss einer Überprüfung durch den EuGH standhält. Von vielen Datenschutzexperten wird dies bezweifelt, weil die USA weiterhin über den Cloud Act, FISA und andere gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz der nationalen Sicherheit der USA Zugriff auf Fremddaten erzwingen können, selbst wenn die Cloud-Speicher im Ausland angesiedelt sind.

Schaut man sich diese komplexe Situation an, ist es mehr als fraglich, ob die stark beworbenen Dropshipping-Aktivitäten Vorkehrungen und Aufklärung im Händler-Hersteller-Kunden-Dreieck für derartige Fälle treffen. In den meisten Fällen wird noch nicht einmal das nötige Problembewusstsein vorhanden sein.

Weitere Problembereiche

Seit 2019 beschäftigt das Verpackungsgesetz den Online-Handel. Spielen sich Dropshipping oder Fulfillment in Form einer Versendung bestellter Waren aus dem Ausland ab, stellt sich die Frage, wer nach dem Verpackungsgesetz auch für deren Verwertung zu sorgen hat. Konkret: wer hat sich beim Verpackungsregister LUCID zu registrieren und muss eine Verpackungslizensierung (Systembeteiligung) erwerben. Diese Pflichten, so die Zentrale Stelle Verpackungsregister, liegen für Versandverpackungen beim jeweiligen Versender, wenn innerhalb Deutschlands versendet wird.

Bei internationalem Dropshipping liegt die Sache anders. Als Hersteller gilt dann derjenige, der Verpackungen gewerbsmäßig in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einführt. Registrierungs- und systembeteiligungspflichtig wäre in diesen Fällen der Importeur. Eines ist sicher: den Kunden, dem das Dropshipping-Karussell unbekannt sein dürfte, trifft keine Verantwortung. Importeur im Sinne des Verpackungsgesetzes ist derjenige, welcher zum Zeitpunkt des Grenzübertritts nach Deutschland die rechtliche Verantwortung für die Ware trägt. Das wiederum hängt von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Dropshipper und Versender ab. Nur allzu oft werden derartige Verantwortlichkeiten nicht oder unzureichend geklärt.

Dropshipping bietet ohne Zweifel Chancen für einen raschen und kostengünstigen Markteinstieg in den Online-Handel. Kostenlos und garantiert gewinnbringend fast ohne Anstrengung ist das Konzept allerdings nicht. 

Neben dem Verpackungsgesetz existiert in Deutschland eine lange Reihe weiterer Verpflichtungen zum Schutz von Verbrauchern und Umwelt. Zu denken ist beispielsweise an das Elektrogesetz und das Elektro-Altgeräte-Register mit seinen Rücknahme- und Entsorgungsverpflichtungen. Sind Hersteller aus dem Ausland nicht ordnungsgemäß registriert, kann der Dropshipper zum „Quasi-Hersteller“ werden. Verpflichtungen der Gerätesicherheit samt Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung (z.B. CE oder GS- Kennzeichnung), Registrierung und Entsorgung obliegen im Zweifel dem Dropshipper, der im Falle von Verstößen zu Bußgeldern herangezogen werden kann.

Tatsächlich zeigen die Verlautbarungen des Zolls, dass massenhaft unsichere, schädliche, mit giftigen Substanzen durchsetzte Waren, die Cadmium, Blei oder Quecksilber enthalten, bis hin zu abenteuerlichen Konzentrationen von Weichmachern und krebserregenden Chemikalien in Kinderspielzeug und Textilien, nach Deutschland eingeführt werden. Das Dropshipping-Massengeschäft hat die Probleme verschärft. Die Sensibilitäten bei Herstellern und Versendern aus Fernost oder Indien sind andere als vom deutschen Gesetzgeber festgelegt. Gleiches gilt für kontaminierte Lebensmittel aller Art. Natürlich fehlen in der Regel auch deutschsprachige Gebrauchsanweisungen und Warnhinweise, von Konformitätserklärungen ganz zu schweigen. Der Teufel liegt im Detail.

Fazit

Dropshipping bietet ohne Zweifel Chancen für einen raschen und kostengünstigen Markteinstieg in den Online-Handel. Kostenlos und garantiert gewinnbringend fast ohne Anstrengung ist das Konzept allerdings nicht. Haftungsfragen, Vertragsgestaltungsprobleme, die Aufteilung von Verantwortungsbereichen und ein latenter Dauerärger mit genervten Kunden sind Dropshipping-Dauerbegleiter. Versandhandel mit Ecken und Kanten eben.

Prof. Achim Albrecht

ist Professor für internationales Wirtschaftsrecht an der Westfälischen Hochschule. Er lehrt, forscht und berät zum grenzüberschreitenden Vertrags-, Handels- und Insolvenzrecht.

Hinweis: Begriffe wie „Importeur“, „Kunde“, „Hersteller“ etc. beziehen sich hier auf die Legaldefinitionen. Aufgrund der besseren Lesbarkeit und Einheitlichkeit wird in diesem Artikel grundsätzlich das generische Maskulinum verwendet. Dies erfolgt ausschließlich aus redaktionellen Gründen.

Header © tolgart – IStock ID: 1646176777

Biodiversität als wirtschaftlicher Faktor
nächster Artikel

Container for the dynamic page

(Will be hidden in the published article)