Ulrich Helm (Mayer Brown LLP)

Preiserhöhungen und Terminverschiebungen
– Wie damit umgehen?


Vertragsverhandlungen

Vertragsschluss 

Vertragsausführung


Durch die Corona-Pandemie kommt es in der Baubranche vermehrt zu Preiserhöhungen und Terminverschiebungen. Den damit einhergehenden Risiken sollte in allen Stadien des Vertragsschlusses hinreichend Rechnung getragen werden.

Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft stark getroffen. In fast allen Branchen waren ihre negativen Auswirkungen spürbar. Auch die deutsche Bauwirtschaft ist keine Ausnahme. Seit Beginn der Corona-Pandemie sieht sich die Branche mit gravierenden Preissteigerungen und Terminverschiebungen konfrontiert.

Grund dafür sind Einfuhrbeschränkungen, welche zur Unterbrechung internationaler Lieferketten geführt haben. Baumaterialien können bestimmte Regionen – aus denen sie normalerweise importiert werden – nicht mehr verlassen oder können nur in geringen Mengen geliefert werden, welche nicht ausreichen, um den Bedarf der deutschen Bauwirtschaft zu decken. Diese Verknappung von Baumaterialien wie Stahl, Holz, Bitumen und bestimmten Kunststoffen hat zu einem massiven Anstieg der Preise geführt.

Darüber hinaus hat sich die Corona-Pandemie auch auf die Rohstoffmärkte ausgewirkt, da weltweit die Produktionskapazitäten heruntergefahren wurden. Dadurch stieg die Nachfrage nach Rohstoffen, was wiederum Preiserhöhungen für Treibstoff und erhöhte Frachtkosten zur Folge hatte. Durch die aktuelle Krise in der Ukraine und den damit einhergehenden Rückgang des Rohstoffimports aus Russland dürfte sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken.

Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass im Rahmen von Bauprojekten – die aufgrund ihrer Komplexität auch unter gewöhnlichen Umständen schon sehr fehleranfällig sind – zusätzliche Risiken entstehen. Nicht umsonst kennt die Branche sog. Claim Manager.

Doch welche rechtlichen Konsequenzen drohen, wenn aufgrund der geltenden Beschränkungen eine Partei daran gehindert wird, ihre vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten? Welche Vorkehrungen können Bauunternehmer treffen, um die durch Preiserhöhungen und Verzögerungen entstehenden Kostenrisiken möglichst gering zu halten? Und welche besonderen Aspekte sollten Auftragnehmer und Auftragsgeber bei der Führung von Vertragsverhandlungen, im Rahmen des Vertragsschlusses und über den gesamten Zeitraum der Vertragsausführung hinweg beachten? Mit diesen Fragen befasst sich der folgende Beitrag.

Vertragsverhandlungen

Zu Beginn der Vertragsverhandlungen empfiehlt es sich, zunächst einmal ein unverbindliches Angebot – eine sog. invitatio ad offerendum – abzugeben. Macht der potenzielle Vertragspartner dann ein Gegenangebot, so kann das Unternehmen noch frei entscheiden, ob er es annimmt oder nicht. Hat sich die Situation in der Zwischenzeit derart verändert, dass es zu Preiserhöhungen gekommen ist oder diese zumindest wahrscheinlich erscheinen, so kann er seinerseits ein Gegenangebot machen, welches auf die neuen Gegebenheiten angepasst ist. Jedenfalls ist er durch die invitatio ad offerendum nicht gebunden, wie es bei einem regulären Angebot der Fall wäre. Gerade, wenn sich Vertragsverhandlungen über einen längeren Zeitraum hinziehen, kann ein solches Vorgehen von Vorteil sein. Da Vertragsverhandlungen jedoch letzten Endes in den Vertragsschluss einmünden, stellt ein solches Vorgehen keine abschließende Lösung dar. Daher ist es vorzugswürdig, einschlägige vertragliche Vereinbarungen zu treffen, die sich mit der Thematik und Regelung von Preiserhöhungen befassen.

"Es empfiehlt sich grundsätzlich, schon während der Vertragsverhandlungen dem Risiko zukünftiger Preiserhöhungen genügend Rechnung zu tragen und entsprechende Vereinbarungen in den Vertrag einzubeziehen." 

Rechtsanwalt Ulrich Helm, Mayer Brown LLP

Vertragsschluss

Der Auftragnehmer wird in der Regel ein großes Interesse daran haben, das Risiko von Preiserhöhungen beim Baumaterial an den Auftraggeber weiterzugeben. Es empfiehlt sich daher, sog. Stoffpreis- oder Materialpreisgleitklauseln in den Vertrag aufzunehmen. Bei Vorliegen einer solchen Klausel ist der Auftragnehmer nicht gezwungen, bei steigenden Kosten weiterhin für einen Festpreis zu arbeiten, sondern hat die Möglichkeit, den Vertrag entsprechend anzupassen. Dadurch wird das Risiko von Schwankungen bei den Materialpreisen an den Vertragspartner weitergegeben, sodass der Unternehmer nicht mehr alleine das Risiko trägt. 

Allerdings sind solche Stoffpreis- und Materialpreisgleitklauseln rechtlich kompliziert. Werden sie in Form von AGB-Klauseln vereinbart, so besteht die Gefahr, dass sie bei rechtlicher Betrachtung eine unangemessene Benachteiligung für den Auftraggeber darstellen, daher einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB nicht standhalten und für unwirksam erklärt werden. Eine unangemessene Benachteiligung ist etwa schon dann gegeben, wenn der Index für die Berechnung von Preiserhöhungen nicht hinreichend transparent aufgeschlüsselt ist oder wenn dem Kunden bei nicht unwesentlichen Preiserhöhungen kein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt wird. 

Um eine mögliche Unwirksamkeit aufgrund einer AGB-Kontrolle zu vermeiden, empfiehlt es sich, Stoffpreis- und Materialpreisgleitklauseln stets individualvertraglich auszuhandeln.

Auftraggeber dürften in der Praxis der Einfügung von Stoffpreis- und Materialpreisgleitklauseln in den Vertrag in der Regel ablehnend gegenüberstehen, da diese meistens schwer kalkulierbar sind und daher mit erhöhten Kostenrisiken einhergehen. 

Nicht nur die erhöhten Kosten, sondern auch die allgemeine Verfügbarkeit von Baumaterialien bereitet derzeit Probleme. In diesem Zusammenhang ist an eine sog. Selbstbelieferungsklausel zu denken. Im Rahmen einer solchen Selbstbelieferungsklausel steht die Einhaltung eines bestimmten Termins unter dem Vorbehalt, dass der Auftragnehmer seinerseits von seinem Lieferanten rechtzeitig beliefert wird. Die Beweislast trägt der Auftragnehmer.

Vertragsausführung

Während des gesamten Zeitraums der Vertragsausführung können infolge coronabedingter Lieferengpässe Probleme auftreten. 

Können Terminvereinbarungen infolge coronabedingter Verzögerungen – zum Beispiel wegen mangelnder Verfügbarkeit von Material – nicht eingehalten werden, sind Schadensersatzansprüche des Auftraggebers wegen Verzugs möglich. Solche Ansprüche können jedoch am fehlenden Vertretenmüssen des Auftragnehmers scheitern. Dieses wird zwar grundsätzlich unterstellt, der Auftragnehmer kann sich aber exkulpieren, wenn die Verzögerung aus seiner Sicht nicht vorhersehbar war. Dann haftet er mangels Vertretenmüssens nicht.

Unverschuldete Verzögerungen, die durch die Corona-Pandemie oder durch Lieferengpässe bedingt sind, können, je nach konkreter Ausgestaltung des Vertrages und den Regelungen des anwendbaren Rechts, zur Gewährung von Bauzeitverlängerungen und zu einem Wegfall von Vertragsstrafen führen. Es ist ferner zwischen Aufträgen von privaten Unternehmen und Aufträgen der öffentlichen Hand zu differenzieren. Man sollte eigentlich erwarten können, dass letztere etwas kulanter sind, da es sich bei behördlichen Corona-Maßnahmen um hoheitliche Eingriffe handeln dürfte.

Dennoch sollten die Vertragsparteien versuchen, klare Regelungen zu treffen, um Auslegungsschwierigkeiten und Beweislastprobleme zu vermeiden. Insbesondere sollten im Vertrag Regelungen zu finanziellen Auswirkungen unverschuldeter Verzögerungen und der damit verbundenen Risikoverteilung getroffen werden. Außerdem sollten sog. Exit-Klauseln vereinbart werden, als Absicherung für den Fall, dass ein Bauvertrag auf lange Sicht unerfüllbar bleibt.

Ist es bereits zum Vertragsschluss gekommen und haben die Parteien in ihrem Vertrag in Bezug auf mögliche Preiserhöhungen keine Vereinbarung getroffen, so kommt allenfalls eine Vertragsanpassung nach den Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB in Betracht.

Haben die Parteien eine sog. Festpreisklausel vereinbart, so ist ein solcher Anspruch wohl von vornherein ausgeschlossen. Doch auch wenn eine solche Festpreisklausel nicht existiert, sind die Anforderungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB sehr hoch. Es müssen sich Umstände geändert haben, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind. Diese müssen von beiden Parteien oder von einer Partei für die andere erkennbar vorausgesetzt worden sein. Diese Voraussetzung ist nur dann gegeben, wenn der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber offengelegt hat, dass seine Kalkulation auf den Preisen des Lieferanten beruht. Dies ist regelmäßig nicht der Fall.

Wurde der Vertrag nach Beginn der Corona-Pandemie abgeschlossen, so wird der Anspruch regelmäßig an der Vorhersehbarkeit coronabedingter Preiserhöhungen scheitern. Wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon eine öffentliche Diskussion im Raum stand oder sogar behördliche Maßnahmen angekündigt worden waren, so ist davon auszugehen, dass die Parteien die Änderung der Umstände hätten vorhersehen können.

Erfahrungsgemäß sind auch die Gerichte sehr zurückhaltend, was die Anpassung nach § 313 BGB wegen erhöhter Lieferkosten betrifft. Dies hat sich schon bei früheren Krisen, wie etwa der Öl-Krise in den 1970er-Jahren (BGH, Urteil vom 08.02.1978 – Az. VIII ZR 221/76) oder den Stahlpreiserhöhungen Mitte der 2000er-Jahre (Hanseatisches OLG, Urteil vom 28.12.2005 – Az. 14 U 124/05) gezeigt. Diese Linie scheinen die Gerichte auch während der Corona-Pandemie zu halten.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB aufgrund von coronabedingten Preiserhöhungen regelmäßig nicht möglich sein wird. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, schon während der Vertragsverhandlungen dem Risiko zukünftiger Preiserhöhungen genügend Rechnung zu tragen und entsprechende Vereinbarungen in den Vertrag miteinzubeziehen.

Fazit

Bauvorhaben sind grundsätzlich sehr komplex und daher fehleranfällig. Dies gilt umso mehr in Zeiten der Corona-Pandemie, welche die von Importen abhängige Baubranche schwer getroffen hat. Nicht alle möglichen Preiserhöhungen und Terminverzögerungen können einkalkuliert  werden. Um sich gegen coronabedingte   Kostenrisiken abzusichern, sollten die Vertragsparteien daher versuchen, Instrumente der Vertragsgestaltung zu nutzen, insbesondere Stoffpreis- und Materialpreisgleitklauseln.

Über den Autor

Ulrich Helm ist Partner im Frankfurter Büro von Mayer Brown LLP. Er leitet die deutsche Praxisgruppe Litigation & Dispute Resolution. 

Header © Marta Shershen – IStock  


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