
Seit Beschluss und Veröffentlichung der Verbandsklagerichtlinie (Richtlinie (EU) 2020/1828) im Jahr 2020 steht ein zukünftiges Sammelklageregime in einzelnen Punkten fest. Die Richtlinie schreibt vor, dass in jedem Mitgliedstaat mindestens ein Verfahren zur Erhebung von Verbandsklagen gegen Unternehmen zur Verfügung stehen muss, die gegen EU-Vorschriften verstoßen. Erfasst sind neben dem allgemeinen Verbraucherrecht u.a. auch die verbrauchernahen Bereiche Datenschutz, Finanzdienstleistungen, Reiseverkehr/Tourismus, Umwelt/Energie, Telekommunikation, digitale Dienstleistungen und Produkthaftung. Die Durchsetzung von Verbraucheransprüchen soll durch Verbandsklageverfahren verbessert und die bisherigen Regelungen für Unterlassungsklagen bei Verstößen gegen Verbraucherrecht weiter harmonisiert werden. Die Richtlinie betont das „notwendige Gleichgewicht“ zwischen der Stärkung kollektiver Verbraucherinteressen und dem Schutz der Unternehmen vor missbräuchlichen Klagen.
Gleichzeitig überlässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen weitreichenden Umsetzungsspielraum. Bis zum 25. Dezember 2022 hat der deutsche Gesetzgeber Zeit, die Verbandsklagerichtlinie in deutsches Recht umsetzen. Ab dem 25. Juni 2023 müssen entsprechende EU-weite Klagemöglichkeiten für Verbraucherorganisationen bestehen.
Die Umsetzung der Richtlinie sorgte zuletzt für Debatten in Justiz, Wirtschaft und Wissenschaft. Verschiedene Interessenverbände unterbreiteten Vorschläge zur Umsetzung. Zum Teil wurde die Schaffung einer Klageindustrie wie in den USA gefürchtet. Dies wurde nicht zuletzt durch die weitgehende Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie in den Niederlanden Ende Juni 2022 bestärkt. Der Referentenentwurf entschärft diese Befürchtungen für Deutschland vorerst.
Umsetzungsverfahren
Im Umsetzungsverfahren bestellt das Gericht einen oder eine Sachwalter, der einen Umsetzungsfonds errichtet. Am Umsetzungsverfahren nehmen alle Verbraucher teil, die ihre Ansprüche wirksam zum Verbandsklageregister angemeldet und nicht oder nicht fristgerecht zurückgenommen haben. Der unter der Aufsicht des Gerichts stehende Sachwalter prüft die Berechtigung der einzelnen Verbraucher. Er erfüllt die Zahlungsansprüche oder setzt den Unternehmer eine Frist zu Erfüllung von Ansprüchen, die nicht auf Zahlung gerichtet sind.
Ein im Abhilfeendurteil festgesetzter kollektiver Gesamtbetrag kann im Umsetzungsverfahren auf Antrag der klageberechtigten Stelle durch das Gericht nachträglich erhöht werden, sollte dies zur Befriedigung aller Anspruchssteller notwendig sein. Während des Erhöhungsverfahrens ruht das Umsetzungsverfahren. Sollte der Gesamtbetrag nach Beendigung des Umsetzungsverfahrens nicht vollständig verbraucht sein, hat der Sachwalter diesen an den oder die Unternehmer zu erstatten.
Sollte der Sachwalter die Ansprüche ablehnen, bleibt dem oder der Verbraucher neben einem Widerspruch beim Sachverwaltender die Möglichkeit der Erhebung einer Individualklage. Hat der oder die Unternehmer Einwendungen gegen einzelne Verbraucher, die im Abhilfeverfahren nicht geltend gemacht werden konnten, können diese ebenfalls im Klagewege erhoben werden und die Herausgabe der ausgezahlten Beträge nach den Grundsätzen einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangt werden.

Dr. Elke Umbeck
ist Partnerin der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek und leitet dort die Praxisgruppe Prozessführung/Schiedsverfahren. Mit über 20-jähriger Berufserfahrung berät und vertritt sie Unternehmen aus verschiedenen Branchen in Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren und ist regelmäßig als Schiedsrichterin in nationalen und internationalen Schiedsverfahren tätig.

Dr. Jonas Pust
ist Salaried Partner der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Als Inhaber eines Certificate of Advanced Studies (CAS) in Arbitration der Universitäten Luzern und Neuchâtel vertritt er Mandanten sowohl in nationalen als auch in internationalen Verfahren, einschließlich institutioneller und Ad-hoc-Schiedsverfahren.
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